Thesen zur „Gegenplanung“

Thesen für eine Mach-was-Diskussion

Planung von unten /Gegenplanung: zu diesem Motto von 1971 gibt es gerade aus dem Bereich der alten GhKassel umfangreiches theoretisches und empirisches Material. Die nette Aufforderung: nun plant doch mal selber! klingt gut, aber bedenkt die vielen entgegenstehenden Faktoren zu wenig und erweißt sich dann in mancher Hinsicht als naive und theoretisch leichtsinnige – ja: Träumerei.

An der GhK kam deshalb das Motto „Vordenken“ auf: was soviel heißt wie: Der Planer antizipiert alle möglichen planungsrechtlichen und physikalisch/technischen Rahmenbedingungen, um den „Nutzern“ ein sondiertes Spielfeld für möglichst viele eigene Entscheidungen zu überlassen. Aus solchen Ambitionen entstand in Holland damals eine andere Strategie, die leider allzu bald von den Architekten in einen Architeekturstil verballhornt wurde: der Strukturalismus.

Ein Aspekt in dieser Diskussion ist das Verhältnis von Nutzern/Betroffenen zur Behörde. Die Behörde erweist sich häufig als Hüterin des Status Quo und als blind gegenüber neuen Bedarfen (Sh. Projekt in Dietzenbach, in Hamburg park fiction usw.), doch sollte man hieraus nicht vorschnell einen grundsätzlichen Gegensatz ableiten, gerade in neoliberalen Zeiten von „Verschlankung“ und Entmachtung der Öffentl.Hand! Eher geht es darum, mit und in der Behörde „von unten“ zu planen.

Das Verhältnis von Aufwand und Ertrag ist mit zu bedenken. Es darf nicht sein, daß die Planungsprofession schon aus Überlegungen der Wirtschaftlichkeit von solcher Planung abrät. Aber wie können wir unser professionelles Wissen und Können für eine Planung von unten mobilisieren, ohne dabei als Planer in endlosen Sitzungen und Diskussionen pleite zu gehen?

Planung ist immer Teil von Entscheidungslinien, die „hoheitlich“ legitimiert sind. Bei Planung von unten kam oft – auch in den Beispielen des Films – eine Scheinlegitimation durch sogenannte Mehrheitsentscheide zustande. Dabei können solche Abstimmungen nur Stimmungsbilder liefern. Man muß sich klar sein: Die „Nutzer“ eignen sich qua eigenem Entschluß etwas an. Das hat meist den Charakter von „Besetzung“ mit moralischem, nicht legalem Recht, jedenfalls nicht per Mehrheitsentscheid.

In den späten 90er Jahren entstand die Idee sogenannter „Möglichkeitsräume“. Damit sollten einige der hier genannten Probleme gelöst werden. Der Möglichkeitsraum fixiert qua Vorentscheidung „von oben“ einen festen Rahmen für spontane Entscheidungen von Leuten, die den Raum für sich „von unten“ interpretierten. Er muß deshalb konsequent vorgedacht werden und muß fest sein gegen Veränderung. In gewisser Weise sind auch Parzellen solche grundbuchlich fixierten Möglichkeitsräume, die dann noch mit einigen dazu eingetragenen Interpretationsregeln gekoppelt sind (z.B. „Art und Maß der Nutzung“) Deshalb spielten sie in der Planungsdiskussion seit Ende der 80er Jahre eine große Rolle (Hoffmann-Axthelm). Überhaupt wurden fixierte Grenzen („Zäune“) in dieser Diskussion als Symbole von Aneignung sei es durch eine Gruppe (halbprivat) oder durch Einzelne (privat) wiedererkannt. (Wilkens: „Gute Nachbarschaft braucht Zäune“ im Eselsbuch) Die Volks- und „Kolonialparks“ der 20er Jahre (besonders bei L. Migge) bezogen ihre Lebendigkeit stark von solchen Grenzziehungen.

11.8.07 Mike Wilkens

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